Giovanni Chiggiato

1876 - 1923

 

 

In Übersetzungen von

Anton Wildgans

 

 

Ende eines Tages

 

Errechne, wem’s gefällt, zur Feierstunde

Aus Ziffernzeilen, was der Tag ihm trug!

Ich steig hinauf, wo Licht noch stark genug,

Daß es die Seele vom Verdruß gesunde.

 

O lesebrauner Reben Hügelrunde,

Beflammt von Leuchtens letztem Atemzug,

Und fabelhafter Formen Bilderflug,

Aus Wolkengold gemalt auf Silbergrunde!

 

Nur Kinderjubel dringt in meine Ruh

Von Dörfern auf, die abendlich geborgen,

Und Zwiesprach ferner Glocken ab und zu.

 

Und du, o Tag des Lärms, der Qual, der Sorgen?

Und, die du eben schiedest, Sonne du,

Ist Welt jetzt wirklich besser als am Morgen?

 

 

An die Amme meines Kindes

 

Und Traurigkeit, urplötzlich, schattenhaft,

Trübt deinen Blick und läßt ihn heimlich blinken,

Indeß dem Kind schlafmüd die Lider sinken,

Das Kinn noch feucht vom guten, starken saft.

 

Du liebst es nicht und spielst nur Mutterschaft,

Wenn du ihm lächelnd gibst aus dir zu trinken,

Doch deinem Schmeichelwort und Augenwinken

Versagt der Ekel die Verstellungskraft.

 

Ich weiß, woran du denkst: ein fernes Tal,

Ein Haus und drinnen eine Wiege; Wind

Pocht an das Dach, und Schnee fällt manchesmal.

 

Doch bald ist Mai! – Nur daß indeß mein Kind

Aus dir nicht trinke Sehnens Lust und Qual,

Fürs Leben als ein töricht Angebind!